Beobachtet man Kinder beim Spielen, wird man über kurz oder lang mit Sicherheit sehen, wie sie in der tiefen Hocke auch längere Zeit ohne Probleme (und Anstrengung) verharren können. Als Erwachsener sind nur die wenigsten dazu in der Lage, diese Stellung (korrekt) einzunehmen. Das inkludiert mich selbst, was mich immer wieder stört – sollte ich das nicht können, als fitter Mensch? Tja, eigentlich schon, genau wie viele Übungen mit dem eigenen Körpergewicht (Liegestütze, Klimmzüge…). Aber das heutige Umfeld ist einfach dazu gemacht, so komfortabel wie möglich für den Menschen zu sein, was man mit „so wenig Bewegung wie möglich“ gleichsetzen kann. Bewegung wird als Hobby gesehen, für das man sich extra Zeit nimmt, anstatt als alltägliche Selbstverständlichkeit. Daher auch immer mein Aufruf: Bewegung in den Alltag einbauen!
Die tiefe Hocke sollte so aussehen:
Sieht doch ganz gemütlich aus oder 🙂 Bei mir sieht das eher so aus:
Ich war ja überrascht, dass mein Rücken so gerade ist, als ich die Fotos gesehen habe. Was ich aber gar nicht schaffe, ist meine Fersen zum Boden zu bringen. Wenn ich das versuche, kippt mein Oberkörper. So geht es anscheinend vielen. Ursachen sind das falsche Schuhwerk (gepolsterte Fersen oder sogar High Heels) und das viele Sitzen auf Stühlen. Die natürliche Sitzposition des menschlichen Körpers ist nämlich, Überraschung: die tiefe Hocke! Durch unseren heutigen Lebensstil ist die gesamte Rückseite des Körpers oft verkürzt, und man muss sie erst dehnen, um wieder in die natürliche tiefe Hocke gelangen zu können.
Nun habe ich hier eine tolle Anleitung gefunden, wie man es wieder lernen kann, richtig tief zu hocken! Die möchte ich nun befolgen, und ich werde euch an meinem Selbstversuch teilhaben lassen. Vielleicht möchtet ihr ja sogar mitmachen?! Alles war ihr dazu braucht, ist eine dünne Yogamatte oder ein Handtuch.
Die Gelenke auf die tiefe Hocke vorbereiten
Um die Übung zu meistern, braucht man dehnbare Waden. Wenn man nun seit mehreren Jahrzehnten normale Schuhe getragen hat, wird man die Waden für mindestens einen Monat jeden Tag dehnen müssen, um einen Schritt weiter gehen zu können. (Ich verfluche gerade die junge Ulli, die so gerne Stöckelschuhe getragen hat) Je straffer die Wadenmuskulatur ist, desto schwieriger ist es, die Fersen bei der tiefen Hocke am Boden zu lassen. Normale Schuhe haben Sohlen, die an den Fersen dicker sind, als an den Zehen. High-Heels sowieso. All das verkürzt die Wadenmuskulatur und hindert uns, die Hocke richtig auszuführen.
Wie stretcht man also nun die Wadenmuskulatur? Mit dieser Übung:
Je größer die Rolle ist, die man benutzt, desto mehr wird die Wade gedehnt. (Statt einer Fitnessmatte kann man auch ein Handtuch zusammen rollen, ein Buch nehmen etc.) Diese Dehnung wird mit beiden Beinen durchgeführt.
Meist wird auch das Becken nach vorne gekippt (auf Englisch heißt das „Butt Wink“ oder „tucked in“, das kann man schlecht übersetzen) – seht euch dazu mal Videos an, zum Beispiel das hier, das erklärt es besser. Das ist mit ein Grund, warum ich bei den Kniebeugen nie so tief gehe, weil dann meine Form einfach leidet. (siehe z.B. hier, meine Oberschenkel sind nicht einmal parallel zum Boden)
Um das zu ändern, stellt man sich mit den Zehen beider Füße auf die Rolle, stützt die Arme auf die Knie und versucht, das Steißbein zu heben, bis es weniger so aussieht wie das linke Bild, sondern mehr wie das rechte.
Am unteren Rücken ist hier eine kleine Kurve zu sehen, ein Zeichen für eine korrekte Beckenstellung. Wenn es bei dir mehr so aussieht wie am linken Bild, halten die verkürzten hinteren Oberschenkelmuskeln den Beckenboden und die Po-Muskulatur davon ab, ihre Arbeit zu tun und stärker zu werden. (Ja, auch den Beckenboden!! Die richtige Haltung bei Kniebeugen und beim Hocken hilft also auch dabei!) Bei mir sieht es derzeit so aus:
Also nicht so ein runder Rücken wie am oberen linken Bild, aber doch noch ein kleiner Buckel am unteren Rücken. Ich muss also noch daran arbeiten.
Was hier noch helfen kann: ein weiter Ausfallschritt! Dadurch dehnt man den hinteren Oberschenkel des vorderen Beins. (Das hintere Knie wird hier abgelegt, da es nicht um die Stärkung der Muskeln, sondern um die Dehnung geht.)
Wer sonst viel sitzt, sollte täglich 5-10 Minuten auf diese ersten Übungen verwenden. Sie bereiten die Gelenke auf die kommende Bewegung vor. Weiter geht es auf allen vieren, wobei es wichtig ist, dass die Beine und Füße parallel zueinander sind.
Ich dachte ja, oh, das ist kein Problem, aber ehrlich gesagt hat das Foto mehrere Anläufe gebraucht, ups. Also arbeite ich auch daran!! Aus dem Vierfüßlerstand wird nun die Hüfte so weit wie möglich nach hinten geschoben, ohne die Füße näher zueinander zu bringen oder das Steißbein nach unten zu ziehen. (linkes Bild)
Wenn man zu weit nach hinten geht, kippt man dann wieder das Becken. Man geht also wirklich nur zu dem Punkt, an dem das Becken beginnt zu kippen. Kippt es, geht man ein paar cm zurück nach vorne und verharrt in dieser Position (rechtes Bild). Wenn das Becken kippt zeigt das, wie verkürzt die Muskeln alle sind. Und das behindert den Beckenboden und die großen Pomuskeln daran, ihre natürliche Arbeit zu tun. Diese Übung ein paar Mal täglich durchführen, bis man in der Lage ist, das Steißbein nach oben zu bringen. Diese Übung bringt den Körper in eine ähnliche Position wie bei der tiefen Hocke, nur ohne das Gewicht auf den Gelenken und somit eine sehr gelenkschonende Möglichkeit. Bei mir sieht das ganze momentan so aus:
Also nicht so rund der Rücken, aber die Mulde im unteren Rücken fehlt mir, das Steißbein gehört noch nach oben.
(Und an die Camperfrauen unter euch: falls ihr immer eure Schuhe anpinkelt im Wald, könnte das auch daran liegen, dass die Hüfte gekippt wird – man pinkelt dann nicht nach unten, zum Boden, sondern nach vorne. Es ist also durchaus praxisbezogen, dass man richtig in die tiefe Hocke kommen will, wollte ich nur gesagt haben :-p)
So, und wenn wir schon dabei sind, machen wir das Ganze nochmal mit geflexten Füßen (also Zehen zum Boden, Fersen zur Decke und zurück, also Fußsohlen im 90 Grad Winkel zum Boden) Sieht bei mir ein bisschen angestrengt aus, weil es das auch ist 😀 Ich arbeite dran!
Das sind also meine ersten Schritte zur tiefen Hocke! Du siehst, wir gehen noch gar nicht in die aufrechte Position, damit noch nicht das Körpergewicht und die Schwerkraft auf die Gelenke einwirken. Wir tasten uns sanft heran, um Verletzungen zu vermeiden. Am besten machst du vorher Bilder, damit du siehst, wo du gestartet hast.
Oh und warum ich das alles mache? Die tiefe Hocke ist eigentlich eine natürliche Ruheposition, die die Beweglichkeit der Fuß-, Knie- und Hüftgelenke verbessert, die Illiosacralgelenke (im Becken) und die gesamte Wirbelsäule mobilisiert und so mit der Zeit die gesamte Körperhaltung verbessert (und das Pinkeln im Wald erleichtert 🙂 ). Anfangs macht es auch nichts, wenn die Position nicht perfekt ist, z.B. die Füße weiter auseinander stehen (das ist oft einfacher) – wichtig ist, auf die richtige Position hinzuarbeiten.
Also, wer ist dabei? (Ein Update gibt es übrigens hier!)
*Disclaimer: bei Knie oder Hüftproblemen immer erst mit dem Arzt Rücksprache halten! Und es gibt mehrere Möglichkeiten, sich an die tiefe Hocke heranzuwagen – dies ist die, die ich für mich gewählt habe.